«Das ist doch alles Quatsch!» Wie Sie Gender-Unken Paroli bieten.

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«Hast du keine grösseren Probleme?» «Das ist doch Sprachverhunzung!» Diese oder ähnliche Kommentare könnten fallen, wenn Sie gendergerecht kommunizieren. Vielleicht haben Sie aber auch selber eine Stimme im Kopf, die gendergerechte Sprache als neumodisches Geschwurbel abtut.  Dann hören Sie mal gut zu: Hier kommen die ultimativen Fakten, die Sie diesen Stimmen um die Ohren hauen können.

Damit das von Anfang an klar ist: Wir sind hier keine Sprachpolizei. Weil es sowas wie eine Sprachpolizei gar nicht gibt. Niemand wird Ihnen vorschreiben, wie Sie zu sprechen und zu schreiben haben. Es geht auch nicht darum, jemanden einzuschränken. Es geht darum, dass es Menschen gibt, die durch Sprache diskriminiert werden. Gendergerechte Sprache wirkt einer bestimmten Form der sprachlichen Diskriminierung entgegen (nämlich der Unsichtbarmachung von Frauen und anderen Geschlechtern; mehr dazu im Blogartikel: Wie wir die Welt gerechter machen. Mit Sprache.). Es gibt auch Menschen, die nicht von unserer Alltagssprache oder der traditionellen Sprache diskriminiert werden und diese Art der Diskriminierung nicht nachvollziehen können oder wollen. Wenn Sie dem verbalisierten Unverständnis etwas entgegensetzen möchten, bekommen Sie hier die Antworten.

Der werte Büro-Kollege sagt:

«Das ist doch Sprach-Verschandelung!»

Dann sagen Sie: «Wusstest du, dass viele Unterschiede zwischen dem britischen und amerikanischen Englisch auch daher kommen, weil sich die Grammatik des britischen Englisch wesentlich schneller entwickelt als die des amerikanischen? Sprache befindet sich permanent im Wandel und passt sich gesellschaftlichen Prozessen laufend an, sowohl im Wortschatz als auch grammatikalisch. Im Mittelalter gab es kein Wort für Webdesign, weil es kein Web gab und kein Mensch spricht heute mehr wie Goethe und Schiller. Warum sollen wir also etwas künstlich konservieren, das sich sowieso verändert?»

Tante Adele, die coole Socke, sagt:

«Also, ich fühle mich auch in der männlichen Form angesprochen.»

Dann sagen Sie: «Es ist schön, wenn du dich als eine einzelne Person nie benachteiligt gefühlt hast dadurch, dass du immer nur mitgemeint bist. Studien belegen aber, dass sich Frauen und Mädchen im Allgemeinen weniger zutrauen, wenn sie nicht auch explizit angesprochen werden – ob ihnen das bewusst ist oder nicht.»

Wir wollen sichtbar sein, auch wenn’s nervig erscheint. Wir haben keinen Bock mehr auf mitgemeint.

Auszug aus dem Songtext „Sichtbar sein“

Ihre Vorgesetzten meinen in der Kaffeepause, als sie einen Artikel zum Thema in der Zeitung sehen:

«Das ist doch superanstrengend!»

Dann sagen Sie: «Wie beim Essen ist die Umstellung auf eine neue Gewohnheit zunächst eine Willens- und Disziplinsache. Aber so schwierig ist es auch wieder nicht: Es wird ja nicht die ganze Sprache auf den Kopf gestellt, sondern man gibt einfach Acht bei Personenbezeichnungen, und nicht mal bei allen. Und wenn man mal verstanden hat, dass etwas wichtig ist, gibt man dafür nicht gern ein wenig Einsatz? Das Commitment ist viel wert; mehr als von Anfang an perfekt zu sein. »

Die Kollegin von der Spielgruppe Ihres Kindes sagt:

«Das kann ja kein Mensch lesen!»

Dann können Sie sagen: «Gendergerechte Sprache stört weder den Lesefluss noch die Verständlichkeit eines Textes, wie eindeutig bewiesen wurde. 

In einem Experiment der TU Braunschweig mussten 355 Student*innen verschiedene Versionen eines Stromliefervertrags bewerten: einmal im Original im generischen Maskulinum, einmal dieselbe Version mit ergänzten weiblichen Formen, einmal eine überarbeitete Fassung mit Binnen-I und eine mit Doppelformen. In der Bewertung der Textverständlichkeit zeigte sich dann folgender Unterschied: keiner. Null, nix, nada, niente. »

Der Schwiegervater hat eine klare Meinung:

«Die Welt hat grössere Probleme als diesen Gender-Quatsch!»

Dem können Sie mit einem Zitat des Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch antworten: «Gerechte Sprache allein schafft noch keine gerechte Welt. Aber so zeigen wir, dass wir eine gerechte Welt überhaupt wollen.» Gut, oder?

Und die Stimme auf Ihrer linken Schulter hat auch noch einen Einwand:

«Jetzt bin ich auch noch ein schlechter Mensch, nur weil ich normal spreche und schreibe‘!»

Dann hätscheln Sie sich doch etwas: «Nein, das bist du nicht, liebes Ich. In der Diskussion um gendergerechte Sprache geht es nie gegen jemanden persönlich, sondern FÜR den Einbezug aller Menschen. Mit deiner Entscheidung zu gendern nimmst du eine ganz bestimmte Haltung ein: Du zeigst, dass du ein umsichtiger Mensch mit Empathie bist, der Verantwortung übernimmt. Diese Haltung kannst du natürlich auch in anderen Bereichen ausleben (was du selbstverständlich auch tust): indem du deinen Müll konsequent trennst, weniger Fleisch isst, weniger fliegst, weniger Abfall produzierst. Aber hey, wir Menschen sind so clevere, anpassungsfähige Wesen: Warum nicht etwas Neues ausprobieren? Es ist so einfach und effizient: Sprache ist ganz gratis und Sprache hat viel Macht. Und in ein paar Jahren wird es sowieso normal sein, gendergerecht zu sprechen und zu schreiben. Warum also nicht gleich damit anfangen, liebes Ich? »

Was kann jetzt noch dagegen sprechen? 

Nichts. Aber wenn andere das nicht so sehen, lassen Sie sich nicht stressen und fangen Sie schon gar nicht an zu kämpfen. Das haben gar nicht nötig – denn SIE haben ja recht. 

Und wenn Sie jetzt noch Unterstützung beim Finden der für Sie passenden gendergerechten Sprachvariante brauchen, kontaktieren Sie mich. Ich helfe Ihnen gern weiter.